Nadia Becker - Weibliche Sozialisation als Risikofaktor für die Entwicklung psychischer Erkrankung
Dozent: | Becker, Gummersbach |
Tag 1: | 15.02.2025, 10:00 - 18:00 Uhr (8 UE) |
Ort: | wird noch bekannt gegeben |
Online-Buchung öffnet: | 28.11.2024 19:00 Uhr |
Seminarbeschreibung
Es bestehen geschlechtsspezifische Unterschiede in den Prävalenzen bestimmter psychischer Erkrankungen. So weisen Frauen, im Vergleich zu Männern häufiger psychische und psychosomatische Beschwerden wie Depressionen, Angst- und Essstörungen auf, obgleich es keine Hinweise auf eine geschlechtsspezifische Vulnerabilität gibt. Vielmehr scheinen diese Unterschiede stark von dem Sozialisationsprozess und der Entwicklung risikobehafteter Faktoren abzuhängen. Empirische Studien belegen, dass eine weibliche Sozialisation weiterhin häufig eine Lerngeschichte von Angst, Unterdrückung und Anpassung beinhaltet.
Obwohl eine gesellschaftliche Enttraditionalisierung zu beobachten ist und sich die Lebensbedingungen von Frauen in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert haben, bleiben Frauen weiterhin im Kern strukturell benachteiligt. Die heutige Multioptionalität verursacht eine hohe Ansprüchlichkeit, welche eine Stress- und Belastungsreaktion begünstigt. Dadurch dass Autonomiemöglichkeiten gestiegen sind aber traditionelle Rollenerwartungen in der Gesellschaft noch nicht vollends aufgelöst wurden, entstehen Belastungsprofile, die letztlich zur psychischen Dekompensation führen. Internalisierte Geschlechtsstereotype stellen sich in der Praxis weiterhin als erstaunlich änderungsresistent dar.
Die spezifische Lebensrealität von Frauen in verschiedenen Lebensphasen bildet sich in der psychotherapeutischen Arbeit ab. Viele der Probleme dieser Patient_innen werden nur mit Blick auf die geschlechtsspezifische Lebenssituation und Sozialisation wirklich erkenn- und auflösbar. Wie können wir unsere Patient_innen darin unterstützen diese Einflussfaktoren bewusster zu bekommen und letzlich ein selbstbestimmteres Leben zu gestalten?
Folgende kritische Lebensphasen sollen hierbei anhand von Fallbeispielen und spezifischen Übungen beleuchtet werden:
– weibliche Prägung/Stereotype als Risikofaktor (Rollenbilder in der Familienstruktur für Mädchen, weibliche Vorbilder in Medien und Film, weiblich konnotierte Eigenschaften, emotionale und physische Gewalterfahrungen)
– junges Erwachsenenalter (gesellschaftliche Stigmatisierung/ Einfluss von Medien auf Körperbild und Selbstwert)
– unerfüllter Kinderwunsch/ bewusste Kinderlosigkeit/ Einfluss von Kindern und Kinderlosigkeit auf Beziehungen
– Herausforderungen in Mutterschaft (Care-Arbeit/ Mental Load/ Retraditionalisierung in der Partnerschaft) und /oder
– Berufstätigkeit (Gender Pay Gap, finanzielle Abhängigkeiten)
– Menopause und Identitätsverlust, Angst vorm Alter(n)
– Herausforderungen im Alter: Einsamkeit, Pflegetätigkeit, Armut
* Hiermit umfassen wir alle Menschen, die eine weibliche Sozalisation durchlebt haben, unabhängig davon welche Gender Identität sie heute sind.