AVT Köln

Grundhaltungen und Konzept zur Gestaltung meiner Selbsterfahrungsgruppen

Happe Evelyn 2023 02doc

Die Arbeit mit SE-Gruppen erlebe ich als spannend und herausfordernd. Sie ist für mich auch ein Quell eigener, nie endender Selbsterfahrung.

SE-Gruppen leite ich in Kooperation mit einer Kolleg*in, die zur Zeit in meiner Lehrpraxis die praktische Ausbildung absolviert, oder auch mit einer erfahrenen Yogalehrerin, die den Gruppenprozess durch Yogaübungen vertieft und ergänzt. Unterschiedliche Sicht- und Wahrnehmungsmöglichkeiten durch eine*n Co-Kolleg*in schätze ich als zusätzlichen Gewinn für die Gruppe und für mich selbst. 

Insgesamt möchte ich eine Haltung der Eigenverantwortung der Teilnehmer*innen (TN*) in Hinblick auf die Intensität der eigenen Selbsterfahrung fördern. Eine hohe Intensität ist grundsätzlich wünschenswert und birgt immense Chancen zur Weiterentwicklung. Jede*r TN* sollte aber selbst entscheiden, wie stark sie*er sich in den Übungen einbringen möchte, und diesen Prozess variabel und persönlich abstimmen.

Zusätzlich zur Eigenverantwortung der TN* ist mir der achtsame und wertschätzende Umgang miteinander sehr wichtig. Ich motiviere zu offenem und authentischem Feedback, um eine Fülle und Vielfalt an unterschiedlichen Wahrnehmungen herzustellen und möglichst viele wertvolle Informationen für jede*n Einzelne*n gewinnen zu können. Mein*e Co-Kolleg*in und ich verstehen uns als Prozessbegleiter*innen für die Gesamtgruppe, für Kleingruppenarbeit und für jede*n Einzelne*n. 

Unsere inhaltlichen Angebote sind geprägt von systemischen, verhaltenstherapeutischen und hypnotherapeutischen Konzepten, insbesondere von emotions- und erlebensaktivierenden Übungen, die möglichst auch mit körperlicher Aktivierung einhergehen. Inhaltlich-strukturell bildet der Grundgedanke von Bernd Ubben den roten Faden: Es sollen zwei Prozesse miteinander verwirkt werden - die biografisch geprägte Berufung der Teilnehmer*innen im Sinne ihrer Ressourcen und persönlichen Entwicklungsaufgaben insgesamt und die Etablierung der therapeutischen Kompetenzen. Dabei strebe ich an, keine ideale, aber originale Therapeut*innen zu fördern, also solche, die sich ihrer selbst und ihrer Entwicklungsaufgaben sehr bewusst sind und ihre Ressourcen und persönlichen Bewältigungserfahrungen in der therapeutischen Arbeit zukünftig effektiv nutzen können.

Um zu verdeutlichen, was methodisch konkret gemeint ist, skizziere ich eine Kernübung, die ich die „Rote-Knöpfe-Übung der Selbsterfahrung“ genannt habe: 

Die Teilnehmer*innen imaginieren sich im Rollenspiel in eine Therapiesituation, die sie selbst sehr schwierig oder sogar aversiv erlebt haben. Die dort erlebten starken Affekte werden als Körper- und Emotionsanker („rote Knöpfe“) genutzt. Die Protagonist*innen bewegen sich im Raum auf einem imaginierten Zeitstrahl rückwärts in ihre Vergangenheit. Der Emotionsanker wird genutzt, um biografisch relevante Situationen aufzuspüren, die mit diesem Affekt in engem Zusammenhang stehen. Die Situation, häufig eine lebensgeschichtlich sehr frühe Situation, die die stärksten negativen Affekte birgt, wird fokussiert und ansatzweise nacherlebt. Der*die Protagonist*in verlässt dann seine*ihre Rolle und wechselt in die Rolle eines*r für ihn geeigneten kompetenten Berater*in. Er*sie fokussiert die Ressourcen, die die meist kindliche Person zu diesem Zeitpunkt dringend braucht, um sich gut weiterentwickeln zu können. In einem imaginativen Prozess bekommt das Kind jetzt die Zuwendung, die es damals in der Vergangenheit gebraucht hätte. Der Effekt dieser Rote-Knöpfe-Übung: Es kommt zu einer tiefgreifenden Validierung des Erlebens, der verletzten Grundbedürfnisse und Selbstanteile sowie zu einer Neubewertung von negativen Grundüberzeugungen. Der*die TN* gewinnt hierbei die Möglichkeit, sehr bewusst und selbstverantwortlich mit für ihn*sie vormals aversiv erlebten Klient*innen oder aversiv erlebten Therapiesituationen umzugehen. 

Zum Ablauf der Selbsterfahrung

An den ersten Wochenenden steht die Entwicklung einer tragfähigen Gruppenkohäsion im Vordergrund. Übergreifende gemeinsame Themen, wie z. B. „meine Rolle im Kliniksetting“, eignen sich hierfür besonders. Außerdem werden zunächst spielerisch lebensgeschichtlich bedeutsame Ressourcen in der Großgruppe gezeigt. So gibt es an jedem Wochenende eine Ressourcenstunde, in der persönliche Dinge gezeigt und dargestellt werden. Ziel ist es, dass sich die TN* im Feedback der Anderen austauschen, intensiv wahrnehmen und sich in der Großgruppe sicher fühlen.

Im Mittelteil der SE stehen die biografische Entwicklung, die potenziellen Hindernisse sowie die persönlichen und therapeutischen Entwicklungsaufgaben - wie schon oben skizziert.

Im letzten Teil der SE wird die zukünftige therapeutische und persönliche Identität mit narrativen Methoden gefestigt und neu Entwickeltes Werte-geleitet integriert.

Zum Setting

Die Gruppen bestehen i. d. R. aus 12 TN*. Die Selbsterfahrung führen wir in Schloss Lüntenbeck in Wuppertal durch. Das Gelände und die Räumlichkeiten eignen sich ideal für eine Selbsterfahrungsgruppe, da hier eine behagliche Atmosphäre der Geborgenheit herrscht und sich entspannt Abstand vom alltäglichen Ausbildungsstress gewinnen lässt. So fällt es leichter, sich für neue Eindrücke und für die Gruppe zu öffnen und eine selbstreflektierende Perspektive einzunehmen. 

Allgemeine Informationen zu dieser Selbsterfahrungsleiterin.