AVT Köln

In den letzten Jahren hat sich das Interesse an der Existenz von transgenerationalen Prozessen stark entwickelt. Inzwischen wurden die zugrundeliegenden Mechanismen vielfach untersucht und nachgewiesen. Diese evolutionär bedeutsamen und sinnvollen Prozesse führen teilweise zu unerwünschten, schmerzhaften bis hin zu lebensbeeinträchtigenden Begleiterscheinungen (transgenerationale Trauma-Transmission). Die zentrale Bedeutung der Psychotherapie blieb in diesem Zusammenhang jedoch noch eher undeutlich.

Die – eher journalistischen und populärwissenschaftlichen – Reportagen von Sabine Bode („die vergessene Generation“, „Kriegskinder“, „Kriegsenkel“ usw.) wurden zu Bestsellern und waren für viele Menschen Anlass, sich mit ihren eigenen Geschichten bzw. den ihrer Familien zu beschäftigen. Dabei wurden auch Stimmen laut, die einen professionellen psychotherapeutischen Umgang mit den Phänomenen fordern.

In vielen Untersuchungen (zum Beispiel von Radebold im Zusammenhang mit dem Schicksal der Vertriebenen und Freyberger im Zusammenhang mit Zweitem Weltkrieg, Drittem Reich und vor allem Holocaust) hat sich gezeigt, dass Menschen in folgenden Generationen unter Traumata leiden können, die nicht sie selber, sondern ihre Vorfahren erlitten haben. Das macht eine Bearbeitung/Behandlung naturgemäß schwierig, da es sich dabei gewissermaßen um „Phantomschmerzen“ handelt.

Wie stark und auf welche Weise sowohl genetische Phänomene (Beispiel Epigenese) als auch die Macht von Umwelteinflüssen (Beispiel Modelllernen) das Verhalten beeinflussen und steuern ist seit längerem wissenschaftlicher Untersuchungsgegenstand. Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll, sich mit den Auslösephänomenen ebenso zu befassen, wie mit den Veränderungsoptionen.

Im Seminar soll dabei als erster Schritt das Erkunden von Möglichkeiten stehen, die transgenerationalen Phänomene erfassen zu können. Da bieten sich vor allem systemische Instrumente wie insbesondere die Arbeit mit Genogrammen an. Dabei soll Wert gelegt werden auf traumaassoziierte Vorgänge wie Krieg, Flucht und Vertreibung, die ebenso in den individuellen Geschichten der Familien als auch in ganz aktuellen Geschehnissen zu finden sind.

Als nächster Schritt sollen therapeutische Ansätze besprochen werden, wie wir mit den Phänomenen umgehen können. Hier kann auf die langjährige Erfahrung im traumatherapeutischen Bereich zugegriffen werden, wie sie im tiefenpsychologischen Ansatz (vor allem von Luise Reddemann), aber auch in der Verhaltenstherapie und im EMDR schon lange angewendet werden.

Als weitere Perspektive sollte aber auch das Vorliegen von salutogenetischen Optionen erkundet werden: Die transgenerationale Weitergabe beinhaltet auch heilsame Prozesse, die psychotherapeutisch genutzt werden können!