AVT Köln

Ein treffendes Bonmot über die Zwangsstörung lautet: „Das ist so, als würde man bei klarem Verstand verrückt werden.“ Zwänge wirken tatsächlich oftmals sehr „abgedreht“. Sie neigen zudem dazu auszuufern und können weite Teile des Lebens der Betroffenen besetzen. Die imponierende Zwangssymptomatik überdeckt und überformt dabei normaleres, „nachvollziehbareres“ menschliches Leid, traumatische und quasi-traumatische biographische Erfahrungen sowie zum Teil gravierende psychische Funktions- und Kompetenzdefizite.

Im Seminar sollen Methoden, die die direkte „Bekämpfung des Zwangs“ fokussieren (Verhaltensregulation, Exposition) ergänzt werden durch Wege, die das Verständnis für die Störung verbessern und so die Behandlung der idiosynkratischen Funktionsdefizite und Kompetenzdefizite erleichtern.

Ein wichtiger Schwerpunkt der Verhaltenstherapie der Zwangsstörung liegt auf Expositionsverfahren. Im meinem Seminar wird die Exposition als „Mittel zur Subjektkonstituierung“ nach Hoffmann und Hofmann vorgestellt, die die „klassische“ symptomorientierte Exposition mit Reaktionsverhinderung/-Management erweitert. Der emotionalen Verarbeitung sowie „höheren Subjektbedürfnissen“ wird bei dieser Vorgehensweise viel Bedeutung beigemessen. Das Wiedererlangen von subjektiver Kontrolle steht im Vordergrund: Der Patient soll lernen, „wieder das zu tun, was ich will und nicht das was der Zwang will“.

In diesem Sinne ist eine der Kernaufgaben in der Therapie von Zwangsstörungen, „normales“ Verhalten aktiv zu entwickeln, um dem Zwang seine Grundlage und psychologische Existenzberechtigung zu entziehen. Die funktionalen Defizite (Genese-Modell der Zwangsstörung: Welche Probleme löst der Zwang?) müssen in der Therapie adressiert werden. Die Funktion des Zwangs für die Gefühlsregulation der Betroffenen wird als besonders wichtig angesehen.

Die Verhaltensdynamik der Zwangsgedanken und -Handlungen (Aufrechterhaltungs-Modell der Zwangsstörung) ist die Grundlage der Exposition. Die Zwangsgedanken und -Handlungen in der Therapie schrittweise zurückzudrängen ist notwendig, um den Betroffenen im Verlauf Verhaltens- und Erlebensspielraum zu verschaffen für die (Nach-)Entwicklung funktionaler und gesunder Selbstregulations- und Problemlösestrategien.

Die Inhalte können im Rahmen von Übungen und Rollenspielen aktiv erprobt und eingeübt werden. Fallarbeit an eigenen (aktuellen und vergangenen) Patienten erleichtert den Transfer der Seminarinhalte auf die konkrete therapeutische Arbeit.

Am zweiten Seminartag kommt Frau Julia Spiess als Schauspielpatientin für zwei Stunden zu uns um die Live-Demonstration einiger wichtiger Therapiebausteine zu ermöglichen. Den Seminarteilnehmer*innen wird im Anschluss die Möglichkeit gegeben, mit Frau Spieß in ihrer Rolle als Patientin mit Zwangsstörung zu interagieren.

Ein Skript, eine ausführliche schriftliche Falldarstellung und ein exemplarischer Bericht an den Gutachter sind Teil des Seminars.